Schüler der Edertalschule erinnerten in Gedenkfeier an den 9. November 1938
Für die Schüler der Frankenberger Edertalschule war es eine erschreckende Erkenntnis: In der alten Aula ihres Gymnasiums in der Geismarer Straße feierten am Abend des 9. November 1938 örtliche NS-Formationen, die meisten in Uniform, Hitlers ersten Putschversuch in München 1923, bevor sie von dort zur Synagoge im Scharwinkel losmarschierten und sie demolierten. „Während für euch heute diese Schule ein Ort der Begegnung, des Austausches und der Freundschaft ist, unabhängig welcher Religion jemand angehört oder welche Herkunft jemand hat, bildete unsere Schule damals den Ausgangpunkt für Ausgrenzung, Hass und Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung“, sagte Schulleiter Markus Koch, als er in der Kulturhalle eine Gedenkveranstaltung für Oberstufenschüler einleitete, in der an die Ereignisse dieser Pogromnacht erinnert und der Opfer des Holocaust aus Frankenberg gedacht wurde. „Es ist unsere Aufgabe, dies nie wieder zuzulassen!“ Diesen Auftrag hatten sich die beiden Leistungskurse im Fach Geschichte schon vor Wochen selbst gegeben. Sie forschten im Archiv der HNA nach Artikeln zum Ablauf dieser Pogromnacht 1938, in der Nazi-Horden Synagogen verbrannten, jüdische Geschäfte und Wohnung stürmten, und setzten auf einer Großbildwand Text- und Bildmaterial aus dem Frankenberger Stadtarchiv ein, das das Schicksal einzelner Frankenberger Bürger schilderte, die zusammen mit mehreren tausend „Aktionsjuden“ am 10. November 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt wurden. Dabei wurde sichtbar, dass an den Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung Frankenbergs am Tag nach dieser „Kristallnacht“ nicht nur ausgewachsene SA- oder SS-Schergen in Uniform teilnahmen, sondern auch ehemals gute Nachbarn und Schüler der Frankenberger Schulen. Ein historisches Foto zeigte, wie Kinder auf dem durch die Hainstraße ins Teichgelände gerollten Auto des verhafteten Lehrers Ferdinand Stern herumtrampelten. Zu im Stadtarchiv erhalten gebliebenen Bildern von am 10. November 1938 nach Buchenwald deportierten jüdischen Bürgern verlasen Mitglieder aus dem Leistungskurs-Team Berichte von Zeitzeugen und Lebensdaten der Opfer. In einem Gedenkraum präsentierten sie an Stellwänden die Zeitungsartikel aus dem HNA-Archiv, eigene Kommentare zur Pogromnacht in Frankenberg vor 87 Jahren und ein Videointerview, das 2020 der damals 17-jährige Edertalschüler Simon Klos 2020 mit dem Frankenberger Zeitzeugen Fritz Neuschäfer (1928-2021) über dessen Erlebnisse im Nationalsozialismus führte. Musikalisch begleitet wurde die Gedenkfeier von Matthias Müller am Klavier. „Die ab 1933 zunehmende Schikane, Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich, die letztendlich im schrecklichen Völkermord an den Juden endete, war kein Ereignis, das die Menschen aus dem Raum Waldeck-Frankenberg aus der Ferne betrachteten“, sagte Oberstudiendirektor Markus Koch. Dies zeige das von den Schülern dokumentierte Material. „Wir wollen gegen das Vergessen vorgehen, indem wir genau diese örtlichen Schicksale zum Thema machen und die Vorgänge von damals beleuchten. Demokratiebildung ist heute ein wichtiger Baustein an der Edertalschule.“
Text und Bild: Karl-Hermann Völker, HNA vom 12.11.2025
Bildunterschrift:
Bilder und Dokumente der Opfer: Die Geschichts-Leistungskurse der Edertalschule, begleitet von ihren Lehrern Markus Koch (links) sowie (von rechts) Andrea Schöne und Matthias Müller, erinnerten in einer Gedenkfeier in der Kulturhalle an die Ereignisse der Pogromnacht vom 9. November1938. Das Foto im Hintergrund zeigt die Kennkarte des jüdischen Gemeindevorstehers Emil Plaut, der 1942 in Auschwitz ermordet wurde.


